Sie lesen eine Stellenausschreibung auf einem der großen Portale. Frisch veröffentlicht, klingt gut, passt super. Die meisten würden sich jetzt direkt bewerben.
Wieso das sehr oft der falsche Weg ist und welche anderen Wege erfolgsvorsprechend sind und warum, erkläre ich in diesem Beitrag.
Sie sind einer von hunderten
Kommen wir zurück zum Beispiel. Die spannende Stellenausschreibung spricht Sie total an. Und sie denken – ja, das ist MEIN nächster Job.
Sehen wir der Wahrheit ins Gesicht. Ein großes Stellenportal – präsentiert einen spannenden Job – den viele viele andere auch sehen. Und vielleicht ist dieser Job nicht nur dort, sondern auch auf ein, zwei anderen Portalen zu finden, wie es heute Standard ist.
Übertragen wir das mal in Zahlen.
Ihr Job wird auf einem Portal 1.000 mal angeschaut. Und jeder 100-ste, der diesen Job „gesucht“ hat, wird sich darauf sicher bewerben. In der ersten Woche. Das wären zehn Personen. Pro Woche. Lassen Sie die Stellenausschreibung vier Wochen auf dem Portal sein. Vielleicht werden es im Laufe der Zeit weniger. Aber am Ende vielleicht wieder mehr. Also lassen wir es insgesamt bei 40 Personen sein, die sich außer Ihnen – auf diesen tollen Job bewerben.
Nicht das einzige Jobportal
Des Weiteren gehen wir jetzt einmal davon aus, dass der Arbeitgeber (AG) seine Ausschreibung zusätzlich auf seiner eigenen Firmenseite bewirbt und vielleicht auch auf der einen oder anderen Veranstaltung.
Gerundet wären das (sehr vorsichtig geschätzt) etwa insgesamt 50 Bewerber, die er auf diese Stelle bekommt. Natürlich ist die Anzahl an Bewerbern bei Erziehern eine andere als bei Jobs, die eine hohe Bewerberlage haben.
Ihre Chance, diesen Job zu bekommen, läge also rein rechnerisch bei 1:50. Das sind 2%. Zwei Prozent.
Die ersten Bewerber haben oft die besten Karten.
Kritische Masse bei Bewerbungen
Ich habe in einigen Unternehmen gearbeitet. Und es immer wieder mit Personalentscheidungen zu tun gehabt. Daher weiß ich auch, dass es eine – nennen wir es mal „kritische Masse“ gibt, bei der die meisten Unternehmen die frisch eingesandten Bewerbungen nicht mehr so „gründlich“ anschauen. Aus meiner persönlichen Erfahrung liegt diese – je nach Agilität der Personaler bei zwischen fünf und zehn Bewerbungen – insgesamt.
Bedeutet, dass Sie entweder ganz ganz schnell sein sollten, denn die Chance, dass sich ein Personaler mit Ihrer Bewerbung genau so intensiv befasst, wie mit den ersten fünf, später eher gering ist.
Ist die Stellenausschreibung echt?
An anderer Stelle befasse ich mich detaillierter mit der Analyse von Stellenausschreibungen. Hier wird viel getrickst, gerade bei Unternehmen, die Stellenausschreibungen nur aus PR-Gründen veröffentlichen – die also niemanden einstellen wollen, oder ihren Mitarbeiter bereits gefunden haben (zum Beispiel aufgrund einer Beförderung).
Um kurz darauf einzugehen, sollten Sie genau betrachten, ob die Stelle des öfteren so ausgeschrieben wurde, oder einmalig ist. Auch die Detailtiefe und – ich nenn’s mal „seltsame Schwenker“ in „ungewöhnliche Bereiche“ sind oft ein klares Zeichen für eine Fake-Ausschreibung.
Beispiel: Eine Ausschreibung für einen Rezeptionisten für ein Hotel mit „optional wünschenswert wären Joomla-Kenntnisse„, wäre hier sehr ungewöhnlich. Entweder ist der Chef von einem anderen Stern, oder die Stelle ist bereits vergeben.
Bewertungsportale checken
Es gibt drei Bewertungsportale, die ich gern besuche, um mehr über den künftigen Arbeitgeber zu erfahren:
Vorsicht vor Fake-Bewertungen
Gerade hier tummeln sich viele gekaufte Bewertungen, die dem Unternehmen ein besseres Image vorgaukeln sollen. Zum Glück sind noch viele Fake-Bewertungen gut erkennbar, da sie so tun, als wäre das Unternehmen der Himmel auf Erden.
Google Maps Bewertungen: Achten Sie bitte gerade auf die negativen Bewertungen – und – ganz wichtig, auf die Rückmeldung des Unternehmens. Gerade hier entlarven sich sehr viele Kritikresistente Firmen selbst. Beispiel: Große Optikerketten, Große Wohnungsgesellschaften, eigentlich große Ketten von Unternehmen im allgemeinen.
Gerade eher negativen Bewertungen wird auf diese Portalen meist nur wenig oder keine Aufmerksamkeit geschenkt und Kritiker oft mit Standardsätzen geantwortet, die sich später 1:1 auch unter anderen Kritiken als Antwort vorfinden. Häufig wird auf die Kritik selbst nicht eingegangen, sondern das Thema entweder „bedauert“ oder irgendwelche blumigen Sätze gefunden, die die Situation selbst besser darstellen sollen, am Ende aber keine nennenswerte Erkenntnisse bringen.
Webseite des Arbeitgebers anschauen
Die Webseite des potentiell zukünftigen AGs kann – auch ungewollt – mehr Aufschluss über seinen Charakter geben, als Sie im ersten Moment glauben.
Zum ersten betrachten Sie bitte die Eigenwahrnehmung. Sieht sich der Chef zu gern selbst auf der Seite, wird besonders oft er auf den Bildern zu sehen sein. Wie viel Raum gibt er seinen Mitarbeitern, den Kunden, den Projekten? Wird ständig „viel“ Personal gesucht, wächst sein Unternehmen angeblich permanent in die Höhe? Es gibt auch Positionen, die eigentlich in einem strukturiertem Unternehmen selten bis gar nicht ausgeschrieben sein sollten. Positionen im Management zum Beispiel.
Kleine Anekdote am Rande
Hätte ich damals gewusst, dass Marketingleiter idR. NICHT über die klassische Stellenausschreibung gesucht werden, hätte ich mir zahlreiche Bewerbungen erspart.
Verstehen Sie mich nicht falsch, meinen ersten Marketingleiter-Job habe ich genau so bekommen – war wahrscheinlich eine Kombination aus Glück, Timing und Mitarbeitern, die mich und meine Erfahrungen und Kenntnisse besonders gut fanden.
Und nicht zuletzt, wie ist die Navigation auf der Unternehmensseite. Kommen Sie schnell dahin, wohin Sie wollen? Wie sind die Inhalte dargestellt, wie ist die Lesbarkeit? All das können Ihnen wichtige Rückschlüsse auf die Arbeitswelt des Unternehmens geben.
Gerade der Blick auf die Social Media Kanäle des Unternehmens gibt sehr oft Aufschluss darüber, wie das Unternehmen ticken „möchte“. Hierbei aus meiner Erfahrung ein paar wichtige Hinweise:
- zu „perfekt“, spricht für viel Fake
- Ist Inhalt und Stil nicht passend, könnte für Chaos im Unternehmen sprechen
- Äußern sich zu oft die gleichen Personen, spricht für gewisse starke, hierarchische Strukturen – ist auf Dauer ungesund
- zu viele „Amateurfotos“ können für Geiz gegenüber professionell aufgearbeiteten (nicht künstlich unechten) Material sprechen
Rezept für eine erfolgreiche Bewerbung
Halten wir einmal fest, was wir eben gelesen haben. Sobald eine Stelle prominent ausgeschrieben wurde, sind Ihre Chancen – aus rechnerischer Sicht so gering, dass es so gut wie keinen Sinn macht, sich darauf zu bewerben.
Und das können Sie dagegen tun:
- Bewerben Sie sich „vorher“, dh. informieren Sie sich bei Unternehmen, ob künftig in bestimmten Bereichen gesucht werden könnte
- Initiativbewerbung
- Bewerbung über Ihr Netzwerk
- Bringen Sie Ihre Bewerbung persönlich vorbei (nur, wenn es so akzeptiert wird)
Viele Personaler sind deutlich subjektiver bei Entscheidungen, als sie selbst glauben.
Priorisierung der Abläufe
Machen Sie sich folgendes klar, nicht der beste gewinnt, sondern derjenige mit dem „besten Eindruck“ – was das bedeutet ist leider sehr individuell zu sehen. Personaler lassen Sie gern glauben, sie seien sehr objektiv in ihrer Bewertung, sind in Wahrheit aber Menschen wie Sie und ich. Bedeutet: Jemand, der aus irgendwelchen Gründen unsympathisch erscheint, muss viel besser den richtigen Ton treffen, damit er die gleichen Chancen beim Personaler hat, wie jemand anderes, der weniger kann oder mitbringt. Das ist häufig anzutreffen, soll auch keine Wertung darstellen, seien Sie einfach darauf vorbereitet.
Folgende Priorisierung ist aus meiner beruflichen Erfahrung sehr essentiell.
- Perfektes Timing – das Zeitfenster für die Jobsuche ist für Aussenstehende extrem kurz (benötigt viel viel Glück)
- Gute Vorbereitung – Schreiben Sie Textblöcke vor, für künftige Bewerbungen, die Sie schnell zu einer guten Bewerbung zusammenfügen können (an anderer Stelle gehe ich näher darauf ein)
- Gutes Timing beim Versenden der Bewerbung – Tag und Stunde können hier oft einen wichtigen Unterschied machen (an anderer Stelle gehe ich näher darauf ein)
- Eine gute Begründung, wieso Sie genau dort arbeiten wollen – gute Vorbereitung ist auch hier wichtig
- Seien Sie gut informiert, um passend die eine oder andere Lösung parat zu haben (seien Sie aber nicht zu konkret, sonst klaut man Ihnen die Ideen)
Letzter Tipp – Seien Sie wachsam
Ich kann mich in meiner Karriere an einige Jobs erinnern, die ich im Nachhinein betrachtet nur deshalb bekommen habe, weil ich mich „zufällig“ genau dort zu genau dem Zeitpunkt umgeschaut habe. Ein, zwei Tage früher oder später hätte ich wohl keine Chance mehr gehabt. Das bedeutet übrigens nicht, dass ich weniger qualifiziert gewesen wäre, als andere. Es geht hierbei nur um das Zeitfenster der Bewerbung.
Das blöde daran ist, niemand wird Ihnen solche Zeitfenster zeigen – ausgenommen Sie aktivieren Ihr Business-Netzwerk.
Es ist also extrem wichtig, immer wieder die Auge offen zu halten, Firmenseiten zu Bookmarken, sich RSS-Feeds von Stellenausschreibungen in Firmen anzulegen, um schnell darauf zu reagieren.
Zusammenfassung
Bewerbung hat viel mit Glück zu tun. Selten gewinnen Sie, weil Sie der beste sind. Das ist eine Illusion. In aller Regel müssen Sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und gut vorbereitet Ihren Hut in den Ring werfen. Lassen Sie sich da von keinem Personaler was anderes erzählen. Und ja, Vitamin B ist immer gut.