Die Situation ist denkbar ärgerlich. Sie haben bereits so viel Zeit investiert, die Bewerbung geschrieben, eingereicht, sich mit dem Unternehmen oder Behörde beschäftigt und das Vorstellungsgespräch ist alles andere als gut.
Wann es Zeit ist, ein Vorstellungsgespräch abzubrechen und wie Sie das Gespräch vielleicht doch noch „retten“ können, erkläre ich Ihnen jetzt.
Abbrechen oder nicht – wie hätten Sie entschieden?
Erstes Vorstellungsgespräch, die Gesprächspartner sind eher gelangweilt. Ein wichtiger Gesprächspartner schaut mich die ersten fünf Minuten nicht einmal an, schläft fast ein… Gespräch abbrechen?
2. Vorstellungsgespräch, ein Fachleiter bittet mich, drei große Erfolge zu nennen. Nach meinem ersten Beispiel haut er laut auf dem Tisch „Donnerwetter“ brüllend… Gespräch abbrechen?
3. Vorstellungsgespräch, der Abteilungsleiter fragt mich, wie „gut“ ich Excel könne (Auf einer Skala von 1-10). Danach setzt er mir eine Tabelle vor, die eigentlich jeder 12 jährige lösen könnte, wenn er die Formeln kennt. Ich kenne die Formeln nicht – die ihm aber extrem wichtig sind, damit er die „richtige“ Person einstellt… Gespräch abbrechen?
Wahrscheinlich hätten Sie alle drei Gespräche abgebrochen – Sie hätten es zumindest tun sollen. Leider tat ich es nicht. Warum? Weil ich dachte, das wären nur „Zufälle„, „Aussetzer“ oder „nicht so gemeint“. Doch leider meinen es viele AGs genau so. Und oft ist es deshalb richtig, ein Gespräch abzubrechen.
Ein Gespräch sollte man abbrechen, wenn die Fairness in Frage steht.
Gespräch auf Augenhöhe
Ein Vorstellungsgespräch sollte immer auf Augenhöhe passieren. Wirklich immer. Ohne Ausnahme. Auf Augenhöhe bedeutet, dass der Bewerber als wichtige und wertvolle Arbeitskraft gesehen wird. Denn: Als potentieller Arbeitgeber möchte man das Wissen und die Erfahrung des Bewerbers unbedingt im Unternehmen haben. Der AG bietet Ihnen ein neues Umfeld – im Gegenzug bieten Sie ihm Wissen, Können und ggf. Erfahrung.
In dieser Situation möchten sich beide unter fairen und gerechten Umständen kennen lernen und genauer wissen, ob es auch menschlich passt.
Bei unfairen Arbeitgebern gibt es keine Beißhemmung
Wie bissige Hunde
Manchmal zeigt sich der AG von seiner sehr unhöflichen Seite. Verstehen Sie eine Frage nicht sofort, fühlt es sich an, als lässt man bissige Hunde von der Leine. In dem Fall sollten Sie direkt am Anfang dem AG klar machen, dass Sie gerade etwas nervös sind – in der Regel setzt hier beim AG eine Beisshämmung ein. Bei unfairen Bewerbungsgesprächen ist das aber nicht der Fall. Die beissen leider weiter. Ein guter Grund, das Gespräch zu beenden.
Wenn Spielchen gespielt werden
In fast allen Vorstellungsgesprächen habe ich aber erleben müssen, dass von Seiten des AGs „Spielchen“ gespielt wurden, weil offenbar die Personalentscheidung bereits gefallen war.
Spielchen – damit meine ich verbale oder nonverbalen – klare Signale Ihnen gegenüber. Signale, wie Langeweile, Fangfragen oder Reaktionen, die Ihnen zeigen, dass man Sie nicht ernstnimmt. Manchmal auch Spiele, die Ihnen zeigen, dass Sie jemanden gefährlich werden würden und deshalb die Hürden künstlich höher gesteckt werden.
Natürlich ist dieses Verhalten unfair, offenbar weiß sich der potentielle AG aber nicht anders zu helfen, was zeigt, dass es hier sehr unprofessionell zugeht. In dem Fall sollten Sie sich nüchtern fragen, ob Sie bei solchen AGs ernsthaft Ihre Zeit und Erfahrungen investieren wollen.
Warum Spielchen ein Abbruchgrund sind
Ein fairer und interessierter AG hat keine Lust auf Spielchen. Sie sind ihm viel zu wertvoll, als dass er seine Zeit mit belanglosem Quatsch vergeudet. Tut er es doch, ist das Rennen bereits entschieden und sie sollten abbrechen.
Das „Spiel“ abbrechen
Ich hatte leider nur einmal den Mumm, ein Spiel abzubrechen. Als Bewerber für einen Posten bei einem Sektorenauftraggeber, brach ich das „Spiel“, leider erst sehr spät ab. Höflich, aber ich brach es ab. Die Rückmeldung war sehr interessant. In dem Moment wurde der AG merklich unfreundlich und warf mir vor, seine Zeit „vergeudet“ zu haben. Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was auf mich im Job zugekommen wäre.
Ein höflicher und fairer AG wird Ihnen sowas nie vorwerfen. Er wird sich ärgern, dass Sie sich umentschieden haben und versuchen, Ihnen irgendwie entgegen zu kommen.
Das Bewerbungsgespräch „retten“
Es gibt Situationen, in denen man glaubt, aus irgendeinem Grund, das Bewerbungsgespräch retten zu müssen. Vielleicht ist man selbst zu nervös. Retten können Sie das Bewerbungsgespräch auf zwei Arten. Sie können, wenn die Stimmung eher getrübt ist, auf witzige Art sagen, dass Sie auch manchmal keinen guten Tag erwischt haben. Perfekte Unternehmen werden Sie natürlich jetzt aussortieren, da dort jeder Tag perfekt und ungetrübt ist (das war ein Scherz, kein Unternehmen ist so perfekt, dass jeder Tag „super“ ist). Ansonsten kommt es natürlich darauf an, dass die getrübte Stimmung nicht Ihnen, sondern bestimmten Umständen geschuldet ist.
Als zweite Möglichkeit brechen Sie höflich das Gespräch ab und bedanken sich für die nette Gastfreundschaft. Wenn Sie einen guten AG erwischt haben, wird er versuchen, die Situation zu retten. Manchmal hinterlassen Sie durch einen höflichen Abbruch einen so guten Eindruck, dass Sie am Ende doch noch den Zuschlag bekommen. Ist eher selten, aber passiert, wie ich hin und wieder auf LinkedIn lesen kann.
In jedem Fall zeigen Sie mit einem Abbruch, dass Sie sich nicht für blöd verkaufen lassen.